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Städtepartnerschaften sind als Keimzellen der europäischen Verständigung unverzichtbar



Die Städtepartnerschaft zwischen der Stadt Mössingen und dem französischen Kanton St. Julien feiert in diesem Jahr ihr zwanzigjähriges Jubiläum. Dies soll mit einer Vielzahl von Aktivitäten gebührend gefeiert werden.
Ein Filmabend in den Lichtspielen machte am 19. März den Auftakt.

Am Freitagabend, 26. März 2010, kam nun auf Einladung des Partnerschaftskomitees die deutsch-französische Abgeordnete des Europaparlaments Evelyne Gebhardt nach Mössingen. Vor etwa 90 Interessierten sprach sie im Bürgersaal des Rathauses über die Bedeutung der deutsch – französischen Städtepartnerschaften im Besonderen und Europa im Allgemeinen. Beides fand viel Anklang. Nach ihrer rund einstündigen freien Rede beantwortete sie daher noch länger als eine Stunde zahlreiche Fragen.

Zunächst wurde die Abgeordnete jedoch durch Oberbürgermeister Werner Fifka herzlich begrüßt, der dabei den Text der im Januar 1990 unterzeichneten Partnerschaftsurkunde in Erinnerung rief. Fifka freute sich, auch Ehrenbürger Hans Auer, der als Bürgermeister damals mit unterzeichnete, und Manfred Schmitt, den früheren Präsidenten des Comité de Jumelage, sowie Vertreter von Partnerschaftskomitees aus dem Umland begrüßen zu können.

„Wir sind in der Region dafür bekannt, dass wir vieles anders machen, nach unserer Meinung in der Regel oft besser und größer als andere. Ich spreche dann immer von der so genannten „Mössinger Lösung“, so Fifka.
„Bei der Partnerschaft machen wir es genauso. Statt wie üblich Partnerschaft mit einer Gemeinde oder Stadt in Frankreich zu pflegen, haben wir eine Partnerschaft mit gleich 17 selbstständigen Gemeinden, in diesem Fall mit allen 17 Gemeinden des Kantons St. Julien. Bei uns würde man sagen des Landkreises St. Julien. Das macht die Partnerschaft gelegentlich auch aus protokollarischen Gründen nicht ganz einfach, macht aber gleichzeitig den Reiz und die Vielfalt aus“, hob Oberbürgermeister Fifka hervor.

Zu Beginn ihres dritten Jahrzehnts lebe die gegenseitige Partnerschaft stärker denn je und speist sich aus einer Vielzahl zwischenmenschlicher Begegnungen wie auch Freundschaften.
„Dass dies so ist, haben wir vor allem unserem Mössinger Partnerschaftskomitee zu verdanken, das 1999 ins Leben gerufen wurde. Dank der Arbeit der Mitglieder des Partnerschaftskomitees und ihres Präsidenten Jürgen Wissenbach gedeiht die Partnerschaft auf vielen Ebenen ganz prächtig“, legte der OB dar.

Dass Verständnis und Freundschaft über Landesgrenzen hinweg auch heute noch nichts Selbstverständliches sind, verdeutlichte Evelyne Gebhardt. Die gebürtige Pariserin die seit 35 Jahren in Deutschland verheiratet ist, im Hohenlohekreis wohnt und seit 1994 für die SPD dem Europäischen Parlament in Straßburg angehört, weiß aus eigener Erfahrung, wie unterschiedlich allein die Kulturen diesseits und jenseits des Rheins sind.

„Städtepartnerschaften sind daher nichts Statisches. Sie gelingen nur, wenn die Bürger mitmachen“, erklärte sie. Aber gerade durch diese Breite seien sie so wichtig. „Noch vor 60 Jahren gab es in Deutschland wie in Frankreich keine Generation, die nicht wusste, was Krieg heißt“. Auch ein neutrales Geschichtsbild gab es nicht. Als Austauschschülerin in Rottweil habe sie beispielsweise Napoleon im Unterricht kaum wieder erkannt. „Wo in Frankreich von Siegen die Rede war, sprach man in Deutschland plötzlich von Niederlagen“, machte sie deutlich.

Die beiderseitige Freundschaft heute sei daher etwas sehr wertvolles und keine Selbstverständlichkeit. Sie fuße in der Basisarbeit zwischen Gemeinden und Bürgern. Erfolge wie die Anerkennung der doppelten Staatsbürgerschaft, Schüleraustausche, deutsch-französische Gymnasien, ein gemeinsamer Kulturrat, die Filmakademie, das deutsch-französische Jugendwerk, der bilaterale Fernsehsender Arte und vieles mehr wären ohne eine „Annäherung von unten“ nicht möglich gewesen, so Gebhardt.

Zugleich rief sie dazu auf, was mit der deutsch-französischen Freundschaft gelang, auch auf das übrige Europa zu übertragen. Viel zu oft werde auf die vermeintlichen Nachteile und Bevormundung durch Europa abgehoben, statt auf die zahlreichen Vorteile zu verweisen. „Bei allen Schwierigkeiten sollten wir uns immer wieder deutlich machen, wie gut wir hier doch leben“, erinnerte sie.

Grenzen seien gefallen, soziale Belange und die Mitsprache des Europaparlaments durch den Lissabonvertrag gestärkt worden. Konflikte würden nicht mehr mit Waffen sondern am Verhandlungstisch bereinigt. Auch beim Verbraucher- und Umweltschutz und in der Kultur seien die Verbesserungen unübersehbar. „Die Vereinigten Staaten von Europa sind mein Traum“, bekannte Gebhardt dann auch abschließend. Allerdings werde es bis dahin wohl noch lange dauern. Es gelte daher, die Wurzeln der Partnerschaft vor Ort weiter zu vertiefen und „die Lust auf Europa zurück zu erobern“.

Als Vorsitzender des einladenden Mössinger Partnerschaftskomitees dankte Jürgen Wissenbach der Europaabgeordneten sehr herzlich für Ihren Besuch und die durch ihren Vortrag gegebenen „zahlreichen ideellen Anstöße für die Partnerschaftsarbeit“. Als erstes konkretes Ergebnis des Abends konnte er bereits ein Netzwerk der diversen Partnerschaftsvereine in der Region verkünden. Als kleine Erinnerung gab er Evelyne Gebhardt, die zuvor durch OB Fifka bereits mit einem Präsentkorb Mössinger Spezialitäten bedacht worden war, zwei eigens zum Jubiläumsjahr kreierten Flaschen schwäbischen Weines mit.
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