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Erwin Kölle zum 100. Geburtstag


Der frühere Mössinger Bürgermeister und Ehrenbürger Erwin Kölle wäre am 20. November diesen Jahres 100 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass war ursprünglich eine kleine Ausstellung mit einer Auswahl von Kölles Gemälden und Karikaturen geplant, um so an sein spürbares Wirken in Mössingen zu erinnern. Denn Erwin Kölle war nicht nur ein Lokalpolitiker, der Mössingen entscheidend geprägt hat, er war auch ein leidenschaftlicher und guter Hobbymaler und Karikaturist. Mit Feder und Pinsel hat er die Schönheit der Heimat und auch so manches (lokal-)politische Ereignis festgehalten. Leider verhindern die Einschränkungen der Corona-Verordnung diese Ausstellung zum jetzigen Zeitpunkt. Die Stadtverwaltung möchte daher mit dieser Veröffentlichung an Kölles Geburtstag vor hundert Jahren erinnern und in einem kleinen Rückblick seine Verdienste würdigen. Die Ausstellung mit Kölles Werken soll möglichst im Laufe des nächsten Jahres nachgeholt werden.
 
Erwin Kölle wurde am 20.11.1920 in Münsingen geboren und wuchs in Willmandingen und Bodelshausen auf. Nach der mittleren Reife begann er im April 1937 seine Ausbildung für den damals noch „gehobenen mittleren Verwaltungsdienst“ bei den Bürgermeisterämtern Bodelshausen und Gomaringen. Von Juli 1940 bis Juni 1945 wurde seine Ausbildung durch den Kriegsdienst und anschließende Kriegsgefangenschaft unterbrochen. Nach seiner Abschlussprüfung für den Gehobenen Verwaltungsdienst an der Höheren Verwaltungsschule Stuttgart war Erwin Kölle von 1946 bis 1962 in verschiedenen Positionen bei der Stadt Metzingen beschäftigt.
 
Im Jahr 1962 kandidierte er für das Amt des Mössinger Bürgermeisters, das er am 1. Juni 1962 antrat und bis 1982 innehatte. In seinen 20 Jahren als Bürgermeister prägte er die Entwicklung Mössingens vom Arbeiter- und Bauerndorf mit rund 7.000 Einwohnern hin zu einer Kleinstadt. Diese zählte - auch dank der Gemeindereform Anfang der 1970er-Jahre, mit der Öschingen und Talheim zu Mössingen kamen - am Ende von Kölles Amtszeit etwa 15.000 Einwohner. Die förmliche Stadterhebung war im Jahr 1974 zusammen mit der 1200-Jahr-Feier Mössingens erfolgt.
 
In Kölles 20-jährige Amtszeit fielen vor allem zahlreiche Bauvorhaben, die die Stadt bis heute prägen. Zu den wichtigsten zählen die Bauten im Schulzentrum, angefangen von der Friedrich-List-Schule (Fertigstellung 1967), über die Jahnhalle I (1969), die - inzwischen abgebrochene - Flattich-(später Steinlach-)Schule (1970), bis hin zu Sport- und Spielplätzen (1971) und dem Bau des Quenstedt-Gymnasiums (1973) sowie der Inbetriebnahme der Körperbehinderten-Schule der Körperbehindertenförderung Neckar-Alb auf dem Gelände des Schulzentrums (1976) und dem Schulerweiterungsbau für Förderschule, Realschule und Gymnasium (1979).
 
Auf den Weg gebracht hat Kölle auch die Erschließung und Entwicklung des Stadtteils Bästenhardt, der „auf der grünen Wiese“ nordwestlich von Belsen entstand. Auch in Bästenhardt wurden eine Schule (1967), ein Kindergarten (1968) und eine Turnhalle (1970) gebaut.
 
Als im Zuge der Gemeindereform Anfang der 1970er-Jahre die früher selbstständigen Gemeinden Öschingen und Talheim nach Mössingen eingemeindet wurden, setzte sich Kölle stark für die Integration dieser Stadtteile in die Gesamtstadt ein. Aus diesen Integrationsüberlegungen heraus kam es zum Standort für das heutige Mössinger Rathaus: Kölle wollte für die größer gewordene Stadt ein neues Zentrum in der ungefähren geografischen Mitte zwischen Talheim und Bästenhardt schaffen und das neue Rathaus (Einweihung 1981) mit Bücherei und Stadtwerken sollte dabei den Anfang machen.
 
Auch im Bereich Sport und Freizeit wurde Kölles Wirken deutlich. Das Mössinger Freibad war bei seinem Amtsantritt zwar schon beinahe fertig und er konnte es 1962 nur noch einweihen, aber die Erneuerung des Öschinger Freibades 1974 und der Bau des Hallenbades (Einweihung 1975) waren Kölles Projekte. Auch das Ernwiesenstadion mit Sportheimneubau in Belsen, der Sportplatzneubau in Talheim, die Bereitstellung von Grundstücken für den Tennisclub und der Bau der Steinlachhalle fielen in Kölles Amtszeit. Abgerundet wurden diese großen Projekte im Sport- und Freizeitbereich durch das Schaffen mehrerer Wanderwege und Wanderparkplätze.
 
Im sozialen Bereich ist in Kölles Zeit ebenfalls vieles entstanden: So wurden fünf städtische Kindergärten und Kinderspielplätze in allen Stadtteilen geschaffen und die Einrichtung kirchlicher Kindergärten unterstützt. Für die Versorgung Pflegebedürftiger hatte Kölle den Aufbau der Diakonie-/Sozialstation vorangetrieben und sich darüber hinaus für die Gründung eines DRK Ortsvereins und für den Bau der Rettungswache eingesetzt, die 1978 ihren Betrieb aufnahm. Nach dem Umzug des Rathauses in den Neubau am Bahnhof initiierte Kölle außerdem die Nutzung des Alten Rathauses als Seniorenbegegnungsstätte.
 
Für alle Generationen hat Erwin Kölle in seiner Bürgermeisterzeit viel bewirkt und Bleibendes geschaffen. Für seine oft Kräfte zehrende Arbeit fand er Rückhalt bei seiner Frau Else, die er 1944 geheiratet hatte, und seinen Kindern Peter und Sabine - obwohl gerade die Familie oftmals auch zurückstecken musste. Neben seinem Bürgermeisteramt war Kölle noch in vielen Gremien und Verbänden aktiv, wie zum Beispiel im Kreistag, bei der Kreissparkasse, im Verwaltungsausschuss des Arbeitsamtes, im Planungsausschuss des Regionalverbands Neckar-Alb, als stellvertretender Vorsitzender des Kultur-, Jugend- und Sportausschusses des Gemeindetags, als stellvertretendes Mitglied im Kuratorium für Weiterbildung beim Kultusministerium, aber auch als langjähriger Vorsitzender des DRK-Ortsvereins und vielem mehr. So ist es nicht verwunderlich, dass Erwin Kölle bei seiner Verabschiedung als Bürgermeister mit der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes geehrt und von der Stadt Mössingen zum Ehrenbürger ernannt wurde.
 
Auch als Ruheständler hat er sich noch viele Jahre lang ehrenamtlich engagiert, vor allem in der 1983 neu geschaffenen Altenbegegnungsstätte im Alten Rathaus, wo er vielseitige Angebote für die ältere Bevölkerung organisierte. Hier, aber nicht nur hier, konnte er im Ruhestand auch seine künstlerischen Talente stärker ausleben, sei es als Maler, Karikaturist, Theaterspieler, Conférencier, Hobbygeologe und anderem mehr.
 
Im Februar 2005 ist Erwin Kölle im Alter von 84 Jahren verstorben.