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„Risikomanagement im Stadtwald“ beim Waldumgang 2023


Bei schönstem Sommerwetter und Temperaturen um die zwanzig Grad fanden sich am Freitag, 6. Oktober über 70 Personen am Parkplatz der Freizeitanlage Olgahöhe ein. Sie alle kamen, um am Waldumgang der Stadt Mössingen teilzunehmen, der sich in diesem Jahr ganz dem Thema „Risikomanagement im Stadtwald“ widmete.

Station 1: Olgahöhe

Nach einer Begrüßung durch Oberbürgermeister Michael Bulander und Alexander Köberle (Abteilungsleiter Forst beim Landkreis Tübingen) gab Revierförster Joachim Kern einen ersten Überblick zu den Sturmschäden in Folge des Unwetters vom 24. August. Bei dem abendlichen Gewittersturm mit Böen bis zu 174 km/h sind im gesamten Stadtwald etwa 4.000 Festmeter Holz zu Bruch gegangen. Rund die Hälfte des Schadens entstand auf der Olgahöhe.

Knapp 10 % des städtischen Fichten-Vorrats wurden so zerstört, darunter viel hochwertiges erntereifes Starkholz im Alter von 100 bis 120 Jahren. Das Unwetter war nicht nur ein herber Einschnitt für die Natur, sondern bedeutet außerdem etwa 100.000 € Wertverlust aufgrund des hohen Anteils an minderwertigem Splitterholz und des derzeit allgemein schlechten Holzmarktes. Dazu kommen erhöhte Ausgaben für die Aufarbeitung der Sturmschäden, die Kern mit etwa 50.000 € bezifferte.

Station 2: Lindenstelle

Nach diesem informativen Einstieg marschierte die große Gruppe los und begab sich zur „Lindenstelle“, wo Kern und seine Forstarbeiter eindrücklich demonstrierten, wie man Sturmholz sicher aufarbeitet. Dabei geht es darum, das wilde Durcheinander aus Baumstämmen und Ästen, das der Gewittersturm im Wald verursacht hat, zu beseitigen – und zwar so, dass die Sicherheit der Forstarbeiter gewährleistet ist. Das Aufräumen sorgt dafür, dass der Wald weiterhin gesund wachsen kann und Erholungssuchenden ein möglichst sicherer Aufenthalt garantiert ist.

Die Arbeiter entschärften mit der Motorsäge einen Wurzelteller, entfernten einen quer in den Bäumen hängenden Baumgipfel und fällten eine geschädigte Kiefer entgegen der Hangrichtung mit einem Funkkeil (siehe Bildergalerie ganz unten). Während der Demonstrationen erläuterte Kern die Sicherheitsmaßnahmen bei jedem Arbeitsschritt.

Station 3: Schönbuch

Mit diesen spannenden Eindrücken im Gepäck verließen die Waldumgänger*innen den Schauplatz der Sturmverwüstung und liefen in Richtung einer Stelle im Wald, die den Namen „Schönbuch“ trägt. Dort hat der Sturm deutlich weniger schlimm gewütet, es sind keine Kahlflächen entstanden.

Kern informierte über die wenig hoffnungsvolle Zukunft der Buche, die aktuell etwa 48 % des Bestandes im Stadtwald ausmacht, die aber die mit dem Klimawandel verbundenen steigenden Temperaturen nicht gut verkraften wird. Stattdessen werden Edellaubbäume wie Spitzahorn, Bergahorn, Linde und Kirsche wichtiger, die Stadt Mössingen setzt deshalb für die Zukunft auf einen sorgfältig ausgewogenen Mischwald.

Gut ist auch, dass an dieser Stelle bereits „ein junger Wald in den Startlöchern steht“, wie Kern es ausdrückte: Zahlreiche Baumtriebe warten nur darauf, genügend Licht abzubekommen, sodass sie nach oben schießen und ihre Zukunft als Waldbaum beginnen können. Ein nicht geringes Risiko für die jungen Baumsprösslinge ist allerdings der Wildverbiss, also das Anfressen der sogenannten „Terminalknospen“, die für einen angemessenen Höhenwuchs des Baumes sorgen. Werden diese Knospen von Rehen und anderen Waldbewohnern gefressen, die übrigens am liebsten an Edellaubholz knabbern, kann der Spross sich nicht mehr gesund entwickeln und bringt dem Wald keinen Mehrwert. Damit unser klimaangepasster Mischwald gut wachsen kann, muss der Wildverbiss also reguliert werden – hier ist planvolles Vorgehen durch Förster und Jagdpächter gefragt.

Station 4: Ziegelrutsch

Einen teils steilen und anstrengenden Aufstieg weiter erläuterte Marcel Dörr – der neue Revierförster in Öschingen und Talheim und zum ersten Mal beim Waldumgang dabei – das Alt- und Totholz-Konzept in diesem weitgehend vom Menschen unberührten Teilstück des Waldes. Das Konzept, das der Mössinger Gemeinderat bereits 2013 beschlossen hat, schützt die dort lebenden Arten, indem es Rückzugsorte für verschiedenste Lebewesen bereitstellt und einen Schutzraum für Bäume bietet, in dem sie ungestört altern, sich auf dem Waldboden zersetzen und schließlich die Lebensgrundlage für neue Pflanzen bilden können. Damit schützt das Konzept nicht nur die Lebewesen im Wald, sondern auch den Menschen, der auf biologische Vielfalt und eine intakte Umwelt angewiesen ist.

Station 5: Rübenwegle

Nach einer Erfrischungspause mit Getränken und belegten Brötchen gab Revierförster Kern den Anwesenden am „Rübenwegle“ eine Aufgabe mit: Beim Marsch entlang eines schmalen Waldweges sollten sie Ausschau halten nach rot markierten „Zukunftsbäumen“, auch „Z-Bäume“ genannt. So bezeichnet der Forst-Jargon die in einem Waldgebiet am besten entwickelten Bäume mit kräftigem, geradem Stamm und ausladender Krone. Diese werden vom Förster und den Forstarbeitern besonders in ihrer Entwicklung gefördert, weil sie mit höherer Wahrscheinlichkeit in gesundem Zustand ein hohes Alter erreichen als andere Bäume ihrer Generation und damit den Wert des Waldes steigern, sowohl in ökologischer als auch in monetärer Hinsicht. Zur Pflege der Z-Bäume gehört zum Beispiel, dass man die Flächen um sie herum frei von konkurrierenden Bäumen hält, die ihnen Licht, Nährstoffe und Wasser wegnehmen würden.

Abschluss mit Abschied

Zurück auf dem Parkplatz bei der Olgahöhe schloss OB Bulander den Waldumgang ab, indem er sich beim Forst-Team für die wie immer informative und unterhaltsame Führung durch den Stadtwald bedankte. In diesem Zuge wies er auch darauf hin, dass Alexander Köberle in seiner Funktion als Abteilungsleiter zum letzten Mal dabei war, da er demnächst in den Ruhestand gehen wird. Bulander bedankte sich herzlich für die sehr gute Zusammenarbeit mit der Stadt Mössingen während Köberles 23 Jahren in der Forstabteilung des Landkreises Tübingen. Schließlich lud OB Bulander die ganze Gruppe noch zum Essen in den Belsener Bahnhof ein, wo man den Abend gemütlich ausklingen ließ.