Die PAUSA

- einst weltbekannte Textildruckerei, heute lebendiges Industriedenkmal

1919 erwarben die aus Stuttgart stammenden jüdischen Brüder Felix und Artur Löwenstein eine Mechanische Buntweberei in der Mössinger Falltorstraße und begründeten damit die Firma Pausa in Mössingen. Den Namen Pausa übertrugen sie von ihrer 1911 in Pausa/Vogtland gegründeten Firma auf den Mössinger Betrieb. Mit dem Schwerpunkt der Produktion auf dem Stoffdruck und der Zusammenarbeit mit innovativen Entwerfern aus dem Werkbund, den Wiener oder Münchner Werkstätten sowie dem Bauhaus erlangte die Pausa Weltruhm. Bei der Weltausstellung 1929 in Barcelona gewann sie den Ersten Preis für Dekorationsstoffe. Am 31. Januar 1933 spielte der Betrieb beim „Mössinger Generalstreik“ gegen Hitler eine wichtige Rolle. Die Pausa-Belegschaft schloss sich dem Streik an und die Löwensteins unterstützten diese Aktion, indem sie ihren Arbeitern nach der positiven Streikabstimmung für den Tag freigaben.1936 erfolgte die „Arisierung“ der Firma, als die jüdischen Firmeninhaber Löwenstein gezwungen wurden, ihre Firma weit unter Wert zu verkaufen und ins Ausland zu fliehen. Die neuen Firmeninhaber wurden der Wannweiler Unternehmer Richard Burkhardt und sein Schwiegersohn Werner Greiner. In einem 1949/50 vor dem Landgericht Tübingen geführten Restitutionsprozess mussten die neuen Firmeninhaber eine Entschädigungssumme von DM 175.000 an Artur Livingston [Löwenstein] und Helene Löwenstein, die Witwe von Felix Löwenstein leisten.

In den Nachkriegsjahren gelangte die Pausa wieder zu einer neuen Blüte. Unter dem Firmenchef Willy Häussler wurden Künstlerstoffe mit großen Namen wie Willi Baumeister, HAP Grieshaber, Andreas Felger, Elsbeth Kupferoth, Walter Matysiak, Eberhard Glatzer und Verner Panton gedruckt.

Verwaltungsgebäude und Bogenhalle kurz nach der Erbauung                  Werkstatt, Bogenhalle und Treppenhaus kurz nach der Erbauung

Das heutige Pausa-Quartier entstand 1951-1961 im Stil des Neuen Bauens. Beeindruckend geplant von Architekt Manfred Lehmbruck repräsentierten sie den gestalterischen Anspruch der Pausa. Der besondere „Pausa-Stil“ zeigte sich demnach nicht nur in den besonderen Textildessins, auch in der herausragenden Lehmbruck-Architektur, der Innenausstattung der Repräsentationsräume von Innenarchitektin Herta-Maria Witzemann sowie im von Anton Stankowski geprägten Werbeauftritt.
Nach der Firmenschließung 2004 erwarb die Stadt Mössingen das denkmalgeschützte Ensemble. Die Lehmbruck-Gebäude werden seither schrittweise saniert und einer neuen Nutzung zugeführt. Die Textilsammlung der einstigen Stoffdruckfirma umfasst 88.000 Musterdessins, 13.500 Entwürfe und 725 Musterbüchen aus acht Jahrzehnten deutscher Designgeschichte. Sie wird vom Stadtmuseum Mössingen betreut.
In der Tonnenhalle, dem ehemaligen Druckereigebäude, befindet sich die Stadtbücherei, die Diakonie Sozialstation und ein Raum für Pausa-Wechselausstellungen. Im ehemaligen Kantinengebäude lädt das Café Pausa zur Einkehr ein. Daneben bietet ein Erlebniszentrum spannende Einblicke ins Schwäbische Streuobstparadies.

Werkstatt und Treppenhaus heute
Die Sammlungen der Pausa umfassen mehr als 86.000 Stoffmuster, über 13.000 Papierentwürfe, 735 Musterbücher und vieles mehr. In wechselnden Ausstellungen werden immer wieder temporär verschiedene Teile des großen Sammlungsbestandes im Ausstellungsraum in der Pausa-Tonnenhalle (neben der Stadtbücherei) öffentlich präsentiert. Ansonsten sind die Sammlungen und auch das ehemalige Verwaltungsgebäude derzeit leider nur im Rahmen von Führungen zugänglich (siehe Veranstaltungskalender).
 
Das Café Pausa bereichert nicht nur als beliebter gastronomischer Anlaufpunkt im Quartier. Es bezaubert auch durch die behutsame Nutzung denkmalgeschützter Räume und Architektur des Pausa-Quartiers, die mit viel Liebe zum Detail - und entsprechendem Aufwand - saniert wurde. Es setzt Maßstäbe durch den integrativen Betrieb, der es in vorbildlicher Weise ermöglicht, Menschen mit Einschränkungen in ein eigenständiges Berufsleben zu bringen. Besonders ist aber auch die Inwertsetzung regionaler Produkte im Direktverkauf und in einer schmackhaften Küche – ganz besonders natürlich unserer Streuobstwiesen.

Mit dem angrenzenden Erlebnis- und Informationszentrum des Schwäbischen Streuobstparadieses besteht eine enge Kooperation. Das Zentrum bietet einen erlebnisorientierten, spielerischen Zugang zum Thema Streuobst und schärft insbesondere bei Bewohnern der Region, Naherholungssuchenden und Touristen das Bewusstsein für diesen außergewöhnlichen Landschaftsraum. Eine interaktive Ausstellung kann kostenlos besucht werden. In der Obstwerkstatt finden regelmäßig Kurse und Veranstaltungen statt (www.streuobstparadies.de/Erlebniszentrum).

Auf der Empore des Cafés ist eine Lounge eingerichtet. Hier werden eigene Erzeugnisse der Arbeit in Selbsthilfe (AIS) sowie weitere Streuobstprodukte verkauft. Eine weitere "regionales Regal" mit insbesondere flüssigen Streuobstprodukten findet sich im Saal.
Was kann ich sonst noch in Mössingen, am Früchtetrauf und in der Region sehen oder unternehmen?  Inspirationen bietet der städtische i-Punkt am Abgang von der Empore. Im Stil des Cafés gehalten, findet der Gast hier analoge und digitale Information, durch Broschüren und ein Webterminal.

Im Rahmen des jährlichen Kulturherbstes wird die architektonisch beeindruckende "Bogenhalle" zum Theaterraum. In diesem rauhen Ambiente laden die Stadt Mössingen und das Regionaltheater "Lindenhof" dann zu außergewöhnlichen Theatererlebnissen ein, was von Kleinkunst und Kabarett über Musik bis zum klassischen Schauspiel reicht.
Ein Rückblick auf das Jubiläumsjahr 2019
Nach der Schließung der Firma Pausa wurden die vom Architekten Manfred Lehmbruck 1951-1961 erbauten Firmengebäude mit ihrer bespielhaften Architektur des Neuen Bauens 2005 mit sämtlichen Innenausstattungen und beweglichen Gegenständen als Sachgesamtheit unter Denkmalschutz gestellt. Im Folgejahr erwarb die Stadt Mössingen das Gesamtensemble. Seit 2010 ist das ehemalige Druckereigebäude, die sogenannte Tonnenhalle, mit dem Einzug der Stadtbücherei, des Regionalverbands und der Diakonie Sozialstation einer neuen Nutzung zugeführt. Die vorhandenen Sammlungen waren durch provisorische Lagerung zu einem großen Teil in einem bedenklichen Zustand. Der Erhalt der umfangreichen Sammlungen durch Reinigung, Inventarisierung, Verpackung und sachgemäße Lagerung war eine große Herausforderung für die Stadt, die sie alleine nicht bewältigen konnte. Als Kooperationspartner für die vollständige Finanzierung der Inventarisierung konnte die Wüstenrot-Stiftung gewonnen werden. Und mithilfe des von der Kulturstiftung des Bundes und der Kulturstiftung der Länder gemeinsam aufgelegten KUR-Programms sowie mit Mitteln der Landesdenkmalpflege wurden schließlich noch große Teile der Sammlungen konservatorisch behandelt. Seit 2015 sind nun mehr als 86.000 unterschiedliche Dessins,  13.500 Entwürfe und 735 Musterbücher inventarisiert.
 Muster-Entwürfe